Der Sprung ins Wasser und die Flucht ins Freie
Datum + Uhrzeit: 19/04/2021, 19:00
Ort: Aula der Volkshochschule Altenburg
+++ Entsprechend der Thüringer Sonderverordnung zur Eindämmung der Corona-Pandemie (https://www.tmasgff.de/covid-19/sonderverordnung) ist der Vortrag verschoben. Ein neuer Termin wird rechtzeitig bekannt gegeben. +++
Zu Goethes „Die wunderlichen Nachbarskinder“ und Kleists „Marquise von O…“
Referent: Dr. habil. Hans-Jochen Marquardt (Halle)
Die in Goethes Roman „Die Wahlverwandtschaften“ (Erstdruck 1809) eingebettete Novelle „Die wunderlichen Nachbarskinder“ und Kleists Novelle „Die Marquise von O…“ (Erstdruck 1808 im „Phöbus“) weisen Beziehungen zueinander auf. Beide Werke thematisieren unter anderem die Frage, wie man trotz eines Ausbruchs aus gesellschaftlicher Konvention die Treue zu sich selbst bewahrt. Beide Texte geben die gleiche Antwort: nur die innere Selbstgewissheit der titelgebenden Figuren behauptet sich als einzig sichere Instanz gegen eine äußere Welt, die dem Anspruch auf Selbstverwirklichung entgegensteht. Das Risiko, das sowohl die wunderlichen Nachbarskinder als auch die Marquise von O… dabei eingehen, ist existentiell. Ihr Schicksal hängt am seidenen Faden, doch ihr Mut wird belohnt.
„Die wunderlichen Nachbarskinder“ und „Die Marquise von O…“ bezeugen zugleich die Auseinandersetzung Goethes und Kleists mit der um 1808/09 veränderten Sphäre der literarischen Kommunikation im Verhältnis zwischen Autor, Werk, literarischem Markt und Publikum. Beide Autoren suchten nach einer diesem Wandel angemessenen literarischen Form und fanden sie in dem modernen Genre der Novelle. Sie erwies sich als geeignet, kathartische Wirkungen in einem Genre der Prosa-Epik zu bewahren und so auch eine leseremanzipatorische Funktion zu erfüllen.
Dr. habil. Hans-Jochen Marquardt ist Literaturwissenschaftler mit einem besonderen Interesse für Heinrich von Kleist. Nach Promotion, Habilitation und wissenschaftlichen Tätigkeiten an den Universitäten Leipzig, Pretoria und Kapstadt leitete er von 1996 bis 2001 das Kleist-Museum in Frankfurt/Oder. Danach wechselte Marquardt für mehrere Jahre in die Kulturpolitik als Beigeordneter der Stadt Halle (a. d. Saale) mit der Zuständigkeit für den Bereich Kultur und Bildung. Anschließend übernahm er die Leitung der Abteilung Internationale Beziehungen der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina in Halle (Saale). Seit 2011 ist er freiberuflich in Halle tätig. Auf seine Initiative wurde das 2018 eröffnete Reclam-Museum in Leipzig gegründet.
Eintritt
Gäste 6,- € | Mitglieder frei